Erfahrungen bei Weinproben in Südafrika

Während meiner Reise durch Südafrika besuchte ich mehrere Weingüter, auf denen ich in wunderbarer Umgebung tolle Weine und gute Olivenöle probierte, trotzdem fehlte mir etwas. 

Mir scheint, dass die Weingüter viel Geld und viel Hirnschmalz in die Architektur und das Ambiente der Weingüter stecken, aber sich weniger damit beschäftigen, wie die Verkostung zu einem Erlebnis wird, das den Besuchern im Gedächtnis bleibt. 


Weingüter als Touristenmagnet

Das Zentrum des südafrikanischen Weinbaus ist die Gegend um die Orte Stellenbosch, Franschhoek und Paarl. Auch wenn ich erfuhr, dass riesige Weingebiete in der Kleinen Karoo und anderen Landesteilen sind, so sind es diese drei Orte, wo sich die größte Anzahl an renommierten Weingütern befindet und wo sich eine touristische Infrastruktur entwickelt hat.

Auch wenn ich mich in der Nebensaison in Südafrika befand und somit - zum Glück - weniger auf den Weingütern los war, standen bei größeren Weingütern immer Reisebusse vor der Tür. Viele Touristen besuchen mehrere von den 100+ Weingütern in der Gegend pro Tag und probieren sich durch die etliche Weine. Gar nicht so leicht, am Ende des Tages sich noch an die Unterschiede zu erinnern...

Das Ziel jedes Weingutes sollte es somit sein, dem Gast ein besonderes Erlebnis zu bereiten, sodass er/sie sich an das Weingut erinnert und zu Hause den Freunden davon erzählt und im besten Fall weiterhin Weine vom Weingut bezieht. (Die meisten größeren Weingüter exportieren bereits nach Deutschland.) 

 

Wir merken uns persönliche Geschichten 

Ich bin davon überzeugt, dass ein Weingut dann Erinnerung bleibt, wenn man eine persönliche Beziehung aufbaut. Ich übernachtete mit meiner Familie auf einem sehr kleinen Weingut (Middlevlei), wo wir die Winzerfamilie kennenlernten, unsere Tochter mit den Hunden spielte und wir im persönlichen Rahmen sehr besondere Weine (besonders der Cabernet Sauvignon und der Shiraz) probieren konnten. Klar nahm ich von diesem Weingut Wein mit nach Hause. Und wenn ich die Weine in Deutschland wieder sehe, werde ich sie auch wieder kaufen, denn ich habe eine persönliche Beziehung zum Gut und den Leuten.

Natürlich ist es wesentlich schwieriger für ein Weingut, während des kurzen Besuchs einer Touristengruppe eine persönliche Beziehung aufzubauen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass es bereits durch ein paar kleinere Maßnahmen durchaus möglich ist. 

Im Idealfall lernt man die Menschen kennen, die die Seele des Weinguts ausmachen, also die Winzer und Kellermeister. Diese können natürlich meist am besten erzählen, welche Art von Weine sie produzieren und warum, welche Tradition das Gut hat oder warum sie überhaupt Winzer sind. Verständlicherweise können diese nicht jeden Tag Besucher betreuen, weshalb die Weingüter Mitarbeiter im Service haben. 

Es ist zwar deutlich schwerer für Angestellte, diesen persönlichen Zugang und - damit oft verbunden - die gleiche Leidenschaft zu zeigen. Eine kleine persönliche Note kann aber bereits viel verändern. Auf einem Weingut führte ich eines der wenigen längeren Gespräche mit einer Mitarbeiterin, die mir von ihrem Freund erzählte, der auf einem anderen Weingut als Kellermeister arbeitete und von ihrer Mutter, die ihren Weißwein immer mit Eiswürfeln trinkte. Ein kleines bisschen persönliche Farbe und prompt bleibt mir die Geschichte und damit auch das Weingut (Allee Bleue) im Gedächtnis. 

Auf einem anderen Weingut nahm ich an einer Kellertour teil. Die sehr freundliche Mitarbeiterin führte mich durch die gesamte Produktion und erzählte einiges dazu. Ich hätte gern von ihr erfahren, was sie besonders am Gut findet. Vielleicht hätte man zwischendurch zudem mit Audio-Guides arbeiten können. Als wir z.B. im stimmungsvollen Weinkeller aus dem 18. Jahrhundert standen, wäre es eindrucksvoll gewesen, die Stimme des Winzers zu hören, der etwas persönliches darüber erzählt. All dies fehlte aber. Das Resultat war: Ich kann mich an die meisten Fakten der Tour nicht mehr erinnern und kaufte keinen Wein vom Weingut. Wie bei den meisten Weingütern verließ ich auch dieses mit dem Gefühl, dass ich trotz meiner Anwesenheit dem Weingut nicht wirklich näher gekommen bin. 


Verkostungen, die sich gleichen

Meist lief die Verkostung auf den Weingütern gleich ab. Man sucht sich 3-4 Weine aus, die man für einen kleinen Betrag (meist 2-4€) verkosten möchte. Dazu erhält man einen Zettel mit Kurzbeschreibungen und meist Informationen zum Kaufen oder Bestellen der Weine. 

Die Mitarbeiter brachten die ausgesuchten Weinn und ratterten ein paar Sätze über den Geschmack des Weines und ein paar Fakten zum An- bzw. Ausbau herunter. Klar bin ich als Gründer von TRY FOODS vielleicht besonders streng in meinen Erwartungen, aber auch hier fehlte mir eine persönlichere und eine lustvollere Erfahrung. Warum wird der Geschmack gleich vorgegeben? Es gibt doch spielerische Wege dies selbst herauszufinden. Warum wird nicht mal nachgefragt, wie viel man über Wein bereits weiß? So könnte der Mitarbeiter seine Beschreibung des Weins etwas anpassen. Denn während der eine Gast vielleicht gerade mal Weiß- und Rotwein voneinander unterscheiden kann und deshalb mit zu viel Weinwissen überfordert ist, interessiert den anderen sehr genaue Details. 

 

Mein Fazit:

Ich konnte hervorragene angebaute und ausgebaute Weine in Südafrika probieren. Vorher kannte ich vor allem südafrikanische Weine, die geschmacklich sehr "mainstream" und dadurch auch etwas langweilig waren. Die Weine, die ich vor Ort trank (besonders der Sauvignon Blanc Elgin von Tokara, der Cabernet Sauvignon von Middlevlei und der Cabernet Franc von Zorgvliet) waren vielschichtig und spannend! 

Wenn die Weingüter nun noch ein Bruchteil des Geldes, das in die Architektur und das Design der Güter fließt, in das Tasting-Erlebnis der Gäste investieren würden, könnten sie sich einen klaren Wettbewerbsvorteil schaffen und mehr zufriedenere Besucher haben, die sich stärker und länger an den Besuch erinnern können. Ich würde es mir für die nächsten Besuche auf jeden Fall sehr wünschen. 

 

In diesem Sinne, bleiben Sie neugierig!

Ihr
Jörn Gutowski
Gründer, TRY FOODS