Wie kann es angehen, dass bei einem so weit verbreiteten Nahrungsmittel so viel gepanscht, falsch etikettiert und der Verbraucher bewusst hinters Licht über Herkunft und Zusammensetzung des Olivenöls geführt werden? Wie so oft geht es ums Geld. Olivenöl ist ein wichtiges Wirtschaftsgut mit einem jährlichen Handelsvolumen von mehr als zehn Milliarden Euro. Mechanisch kalt gepresstes Olivenöl aus unverletzten Oliven, die vom Baum gepflükt werden, herzustellen, ist sehr zeit- und kostenintensiv. Wenn man bedenkt, dass ein Olivenbaum in einigen Regionen nur ein bis zwei Liter Olivenöl hergibt und es leicht bis zu einer Stunde dauern kann, einen Baum per Hand zu ernten, ist es leicht vorstellbar, wie aufwendig es ist, einige tausend Liter herzustellen.
Kein Wunder, dass es schwarze Schafe gibt, die z. B. durch das Strecken mit billigerem raffinierten Ölen versuchen, billigere Olivenöle auf den Markt zu bringen. Und das ist gar nicht so schwer denn kann jeder sein Olivenöl als „nativ extra” deklarieren und in den Verkauf bringen kann. Tests vorab sind nicht notwendig. Es muss erst ein Lebensmittelprüfer ein Olivenöl beanstanden. Dann wird es einer chemischen Analyse unterzogen. Bei dieser gibt es mehr als zwei Dutzend Parameter, die geprüft werden. Leider sind die Analysesysteme so angelegt, dass die industriellen Produzenten genau wissen, wie sie vorgehen müssen, damit ihre Fehler nicht nachweisbar sind.
Aus diesem Grund gibt es mit den Olivenöl Panels eine zweite Kontrollinstanz, die die Olivenöle sensorisch (also geschmacklich) testet. Ein Olivenöl Panel besteht aus mindestens acht Verkostern, die geschult sind, Fehler im Olivenöl feststellen zu können. Eigentlich heißt es in der EU-Verordnung, dass ein Olivenöl nativ extra bei einer sensorischen Prüfung keinen einzigen Fehler aufweisen darf. Allerdings muss das Panel mehrheitlich den gleichen Fehler erkennen. Sagt eine Hälfte, das Öl schmecke „ranzig”, und die andere, es schmecke „schlammig”, so besagt die EU-Logik, dass es fehlerfrei sei. Selbst wenn sich das Panel einigt, kann der Produzent einen Gegentest beantragen, bei dem er sich selbst eines der 75 europäischen Panels aussuchen darf.
Das zweite Panel muss sich dann auch mehrheitlich den gleichen Fehler wie das erste Panel erkennen. Finden sie einen anderen Fehler, besagt die EU-Logik erneut, dass es fehlerfrei sei. Selbst im sehr unwahrscheinlichen Fall, dass sich beide Panels einig sind, bedeutet dies nicht, dass das Olivenöl aus den Regalen genommen wird, da die gerade geschilderte Prozedur viel Zeit in Anspruch nimmt. Somit ist es zu diesem Zeitpunkt sehr wahrscheinlich, dass die Charge der geprüften Flasche bereits komplett verkauft wurde. Eine neue Charge bedeutet eine andere Abfüllung und so beginnt das Prozedere von neuem. Es ist also faktisch so gut wie unmöglich, minderwertige Öle, die als nativ extra deklariert werden, aus dem Verkehr zu ziehen. Als Verbraucher ist es natürlich schwierig beim Einkauf festzustellen, ob es sich um ein "wahres" Olivenöl extra nativ handelt.
Einen Tipp kann ich Ihnen aber mit auf den Weg geben: Eine Flasche, bei der man keine Angaben über Erntezeitpunkt, Olivensorte und genauer Herkunftsregion erhält, sollte man deshalb eher meiden. Es ist nämlich wirklich erstaunlich, wie sehr sich ein minderwertiges Olivenöl aus dem Discounter geschmacklich von einem wirklich guten Olivenöl extra nativ unterscheidet.